Ralf Starzmann, Managing Director Schottel Hydro

Die Kraft des Ozeans

Eine Bucht im kanadischen Nova Scotia bietet ideale Bedingungen für effiziente Gezeitenkraftwerke. Wie ein Forschungskonsortium den Mond zu seinem Verbündeten macht.

Der Wechsel zwischen Ebbe und Flut ist ein bemerkenswertes Naturschauspiel: Der Mond zieht die Meere an wie ein Magnet und beeinflusst so, wo auf der Welt gerade Hoch- und Niedrigwasser ist. In der Bay of Fundy wird das Spektakel der Gezeiten besonders deutlich: Denn hier herrscht der weltweit größte Tidenhub. Insgesamt 160 Milliarden Tonnen Wasser fließen mit Ebbe und Flut zweimal täglich in und aus der kanadischen Bucht. Mit jeder Tide steigt und fällt das Wasser um rund 13 Meter. Es bewegt sich dabei zum Teil mit einer Geschwindigkeit von 18 Kilometer pro Stunde. Energien, die sich nachhaltig nutzen lassen.

Steigende Flut

Gezeitenkraft ist umweltfreundlich, zuverlässig – und im Gegensatz zur Sonnen- und Windenergie wetterunabhängig. Das Potenzial hat auch das britische Unternehmen Sustainable Marine erkannt. Es initiierte 2012 das „Pempa'q In-stream Tidal Energy Project“. Pempa'q (sprich: bem-baahk) bedeutet in der Sprache der Ureinwohner „steigende Flut“. 2018 fusionierte Sustainable Marine mit dem Geschäftsbereich Gezeitenenergie des deutschen Propellerspezialisten Schottel. Schottel steckt auch hinter der technischen Planung, Entwicklung und Realisation des schwimmenden Gezeitenkraftwerks: Force 1 wird aus drei Kraftwerken und insgesamt 18 Turbinen bestehen. Momentan befindet sich die Trimaran-Konstruktion in der Testphase. Die Projektbeteiligten rechnen damit, dass Force 1 dank des massiven Wechsels zwischen Hoch- und Niedrigwasser jährlich bis zu neun Megawatt ins Stromnetz einspeisen wird. Dadurch werden pro Jahr 17.000 Tonnen Treibhausgas eingespart.

Wie die Arbeit vor Ort genau aussieht, erklärt Ralf Starzmann, Managing Director bei Schottel Hydro, ausführlich im Rahmen des Offshore Dialogue – hier schon mal ein Vorgeschmack.

„Drei Fragen an“ – Ralf Starzmann, Managing Director bei Schottel Hydro:

Welchen Beitrag kann Gezeitenenergie zur „Mission Zero Emission“ leisten?

Gezeitenenergie kann einen erheblichen Beitrag zur „Mission Zero Emission“ leisten. Weltweit wird von einer potenziellen Stromerzeugungskapazität von bis zu 880 TWh pro Jahr ausgegangen. Gezeitenkraft wird eine wichtige, kostengünstige, kalkulierbare und saubere Energiequelle sein. Erneuerbare Energie ist der Schlüssel zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und somit zur Verbesserung unserer CO2-Bilanz. Gezeitenenergie ist auch zuverlässig und kalkulierbar, denn wir können ja genau vorhersehen, wann die Gezeiten auftreten. Für viele Inseln und abgelegene Orte der Welt ist die Energieversorgung ein Problem, gekennzeichnet durch schwankende Energieträgerpreise, eine mangelhafte Anbieterauswahl, eine größere Wahrscheinlichkeit von Stromausfällen sowie eine ungünstige CO2-Bilanz. Gezeitenkraftwerke erzeugen saubere, erneuerbare Energie, die fossile Energieträger an diesen Orten ablösen kann.

Wie weit ist Ihr Projekt auf der kanadischen Halbinsel Nova Scotia gediehen? Ab wann können Sie die Küstenregion komplett mit Gezeitenenergie versorgen?

Seit 2018 testen wir bei Grand Passage vor Nova Scotia unsere schwimmende Gezeitenenergie-Plattform PLAT-I 4.63 (mit 280kW), die zuvor bei Connel in Schottland im Einsatz war.  Anfang 2021 werden wir dann unsere neue schwimmende Gezeitenenergie-Plattform PLAT-I 6.40 (mit 420kW) in Betrieb nehmen. Der Bau wird dieses Jahr im Fundy Ocean Research Centre for Energy (FORCE) beginnen, wo die Plattform zusammen mit zwei weiteren auch installiert werden wird. Insgesamt werden die Plattformen bis Jahresende eine Stromerzeugungskapazität von 1,26MW bereitstellen.

Gibt es Vorbilder für dieses Projekt? Welches sind die größten technischen Herausforderungen?

Auch andere Unternehmen führen innovative Gezeitenenergieprojekte durch, bislang vor allem in Schottland. Allerdings gibt es bis heute kein anderes schwimmendes System.  Wir zielen speziell auf die Bedingungen in der Bay of Fundy ab, die den größten Tidenhub der Welt aufweist. Wir haben unsere Technologie einige Jahre lang getestet und sie an diese Bedingungen angepasst, denn der Betrieb in diesem hochenergetischen Umfeld ist anspruchsvoll. Wie bei allem, was man zum ersten Mal tut, gilt auch hier: Wir führen zahlreiche Tests durch und lernen an allen Fronten dazu.

Ralf Starzmann ist Referent beim beim Offshore Dialogue am 2. Februar 2021.

Die Teilnahme am Stream ist kostenlos.

Weitere Informationen zum Offshore Dialogue