Grüner Wasserstoff aus Offshore-Windenergie

Offshore Dialogue 2022

Hamburg, 08-09-2022Bevor es inhaltlich so richtig zur Sache ging, beglückwünschte Claus-Ulrich Selbach, Business Unit Director Maritime and Technology Fairs der Hamburg Messe und Congress, in seiner Begrüßungsrede die Macher des „Offshore Dialogue“ zu einer ganz besonderen Auszeichnung: Die Vereinten Nationen haben die etablierte Konferenz auf der Weltleitmesse SMM in Hamburg in die Aktivitäten der UN-Decade of Ocean Science for Sustainable Development aufgenommen. „Das Motto der Dekade ‚The Science We Need for the Ocean we Want‘ passt gut zu dem, was uns hier und heute inhaltlich erwartet.“

Für die maritime Wirtschaft ist die Offshore-Stromerzeugung ein Schlüssel zur Energiewende. Hoffnungsträger ist in diesem Zusammenhang grüner Wasserstoff, der für die Herstellung alternativer Kraftstoffe benötigt wird und einen entscheidenen Beitrag zur Dekarbonisierung des Schiffsverkehrs liefern soll. Warum die Offshore-Erzeugung so wichtig ist, was sie so herausfordernd macht und auch, was gegen sie spricht – diese Fragen standen im Mittelpunkt des diesjährigen „Offshore Dialogue“ und wurden kontrovers diskutiert. Auch in diesem Jahr fand die internationale Konferenz unter fachkundiger Begleitung der German Association for Marine Technology, statt. Deren Arbeitsfelder reichen von der Unterwassertechnik über marinen Umweltschutz und erneuerbare Energien bis zum Meeresbergbau.

 

Session One: Eindämmung des Klimawandels und mögliche Anpassungsstrategien – welche Rolle dabei Offshore-Technologien spielen können

Im ersten von zwei Panels des „Offshore Dialogue“ ging es vor allem um eine wissenschaftlich fundierte Einordnung, wo der Klimawandel bereits heute auf die maritme Wirtschaft Einfluss nimmt, wie der Schutz der Meere organisiert werden muss und welche Anpassungen in der Schifffahrt erforderlich sind. Den Auftakt machte Dr. Stefan Knodt vom Fraunhofer-IGD in Rostock, der als Vorstand des Ozeandekaden Komitee (ODK) die besondere Bedeutung der UN-Dekade der Meeresforschung für nachhaltige Entwicklung einordnete. Neben globalen ökologischen Herausforderungen zählen dazu auch Themen, die stark auf Einstellungen und den Informationszugang der Bevölkerung abzielen. Mehr Wissen und Verständnis ermöglichen eine bessere Vernetzung der Akteure, ist sich Knodt sicher. Dazu könne die deutsche Meerestechnik mit ihrer ausgeprägten Forschungslandschaft sehr viel beitragen. Wichtig sei dabei der partizipative Ansatz. „Jeder kann und soll mitwirken“, so der Appell des Experten.

Die Bedeutung der Vernetzung von Klimadaten betonte auch Dr. Iuliia Polkova vom Institut für Meereskunde (IfM) der Universität Hamburg. Sie seien für ihre Arbeit essenziell, um bessere Modelle für Klimavorhersagen zu entwickeln. Das ermögliche auch präzisere Prognosen darüber, welche Schäden der Klimawandel an der maritimen Infrastruktur künftig anrichten werde. Wo globale Erwärmung bereits sehr konkrete Auswirkungen auf die Branche hat, verdeutlichte Dr. Ruediger U. Franz von Bock und Polach. Als Leiter des Instituts für Konstruktion und Analyse von Schiffsstrukturen an der Technischen Universität Hamburg arbeitet er an der Entwicklung und Weiterentwicklung von einheitlichen Standards und Richtlinien für Schiffe im Eis. Die globale Erwärmung und die damit verbundene Reduktion der Eisdicke in der Arktis verringert auch den Widerstand des Eises gegenüber der mechanischen Belastung und dem Aufbrechen durch Wellen, erläuterte er. Die Folge ist, dass diese höher und damit gefährlicher werden. Auch eine Zunahme artkitscher Stürme sei zu befürchten. Da Eis in der Arktis zu einem saisonalen Phänomen zu werden scheint, beobachtet Dr. Lasse Rabenstein die Verschiebung weltweiter Handelsrouten. Sein Start-up Drift+Noise hat eine kartenbasierte Eis-Informationsapp entwickelt. Sie soll Informationen für operative Zwecke in den Polarregionen bereitstellen und nutzt dafür unter anderem hochauflösende Satellitenbilder. Das Beispiel zeigt, wie die Digitalisierung künftig den Einsatz von Schiffen konkret beeinflussen kann.

Dass Digitalisierung ein wichtiger Schlüssel für Anpassungstrategien im Klimawandel sein wird, machte auch die nachfolgene Diskussion deutlich. IfM-Wissenschaftlerin Polkova betonte, dass die Entscheider Zugang zu den Forschungsergebnissen bräuchten und mehr praktische Projekte gestartet werden müssten. Einig waren sie sich Experten, dass auf allen Ebenen mehr Zusammenarbeit zwischen Industrie, Forschung und Politik erforderlich ist. „Es braucht mehr Reglen und Richtlinien“, sagte Frode Berntsen. Der Business Development Manger von der norwegischen Klassifikationsgesellschaft DNV erntete viel Zuspruch. Berntsen referierte über neue Technologien zur Eindämmung des Klimawandels. Ein Beispiel sind innovative Ladebojen in Offshore-Windparks, an denen Schiffe künftig festmachen und Ökostrom „tanken“ könnten.

 

Session Two: Wasserstoff, Ammoniak, Methanol und Batterien – auf dem Weg zu einer klimaneutralen Schifffahrt

Tatsächlich gibt es vielfältige Interessen, den offshore erzeugten Strom zu nutzen, wie sich im zweiten Panel des Tages bestätigte. So könnte die direkte Kopplung von Windkraftanlagen und Elektrolyseuren die Kosten der Wasserstoffproduktion minimieren. Die Idee: In Pipelines lässt sich Wasserstoff deutlich günstiger an Land bringen als Strom per Kabel. So gewonnener grüner Wasserstoff ebent den Weg in die Klimaneutralität. Als klare Befürworterin dieser Wasserstoff-Gewinnung trat Dr. Bernadette Zipfel auf. Sie ist bei RWE Renewables für Zukunftstechnologien verantwortlich. Der Energieriese ist mit einer Kapazität von aktuell 2,4 Gigawatt (GW) weltweit einer der größten Betreiber von Offshore-Windkraftanlagen. Die weiteren Wachstumsziele sind ambitioniert, das machte Zipfel deutlich. Bis 2020 will das Unternehmen seine Offshore-Kapazität auf acht GW verdreifachen. Das dürfte ohne die Bereitschaft der maritimen Branche zur Zusammenarbeit kaum umsetzbar sein: „Um die Schnittstelle zum Bunkern des Wasserstoffs zu konzipieren, benötigen wir das branchenübergreifende Know-how.“

Erfrischend war dann wie Prof. Dr. Martin Kaltschmitt, Leiter des Instituts für Umwelttechnik und Energiewirtschaft an der TU Hamburg, daran anknüfte. Er verzichtete auf eine Präsentation und theoretische Erläuterungen – und setzte den Vorstellungen seiner Vorrednerin Kaltschmidt indirekt ein nach seiner Aussage historisches Zitat entgegen: „Wachstum ist nicht unbegrenzt“. Maritime Ressourcen müssten nachhaltiger und effizienter genutzt werden, so sein Plädoyer. Wichtig seien dafür nicht nur technische Lösungen, sondern auch bessere integrierte Systeme. Als Beispiel nannte der Wissenschaftler die Mehrfachnutzung von Biomasse. NABU-VertreterSönke Diesener brachte dann grünen Ammoniak als Antriebsalternative ins Spiel. Er sprach sich gleichzeitig deutlich gegen die LNG-Nutzung und mehr Onshore-Windenergie aus. An den Vor- und Nachteilen, gerade im Vergleich zu Wasserstoff, der sich noch schwerer in Tanks und Leitungen halten lässt als Erdgas und noch leichter entzündlich ist, entbrannte später die Diskussion der SMM-Experten. Auch Methanol gehört in diese Betrachtung. Es stellt eine unmittelbare und vielversprechende Lösung mit praktischen Vorteilen bei der Lagerung, der Handhabung und dem Potenzial zur Reduzierung der CO2-Intensität dar, so Georgios Plevrakis, Vice President of Global Sustainability bei der US-KlassifikationsgesellschaftABS.

Einigkeit herrschte in der Diskussionsrunde darüber, dass man nicht vorhersagen könne, welcher der Treibstoffe sich durchsetzen werde. Gegen ein ideologisches Silodenken in diesen Fragen sprach sich Dr. Walter Kuehnlein, Berater und Gründer des Start-Ups terra.blue aus, der gemeinsam mit dem Direktor des neu gegründeten Instituts für Maritime Energie Systeme, Prof. Dr. Sören Ehlers, durch den Offshore Dialogue führte. Kuehnleins Botschaft: Es werde alles gebraucht. Dazu zählen aus seiner Sicht insbesondere auch Batterien, die wesentlich effizienter als Wasserstoff und alternative Kraftstoffe sind. Allerdings gibt es hier die Herausforderung der Energiespeicherung. Man darf gespannt sein, was aus den vorgetragenen Ideen, Einschätzungen und Prognosen des diesjährigen Offshore Dialogue bei der nächsten SMM 2024 geworden ist.