Kaum eine Branche weltweit ist so im Umbruch wie die maritime Wirtschaft. Vor allem die Themen Fachkräftemangel und Dekarbonisierung stellen Schifffahrt, Werften und Zulieferer vor enorme Herausforderungen. Wie beurteilt der maritime Sektor vor diesem Hintergrund Zukunftsperspektiven und Wachstumschancen? Das sind nur zwei der Themen der großen Branchenumfrage, die die Hamburg Messe und Congress alle zwei Jahre im Vorfeld der Weltleitmesse SMM durchführt. „Der SMM Maritime Industry Report 2023 spiegelt detailliert die Stimmungslage der maritimen Wirtschaft und gibt uns wichtige Impulse für die inhaltliche Gestaltung der SMM 2024“, sagt Claus Ulrich Selbach, Geschäftsbereichsleiter Maritime und Technologiemessen bei der Hamburg Messe und Congress. Das Marktforschungsinstitut Mindline hat für den SMM MIR im Mai/Juni 2023 mehr als 1.000 Entscheiderinnen und Entscheider von Reedereien, Werftunternehmen und Zulieferbetrieben aus 71 Ländern befragt. Sie repräsentieren das Spektrum der ausstellenden Unternehmen und Fachbesucherinnen auf der SMM.
Maritime Wirtschaft bleibt zuversichtlich
Der Gesamtindex Maritime Industry Score bildet die Stimmung der drei Sparten Reeder, Werften und Zulieferer ab. Der Wert ergibt sich aus dem Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen. Der Score sank 2023 zwar gegenüber der Befragung 2021 um 3,7 auf 52,1 Punkte, das liegt aber vor allem an dem um 15 Punkte niedrigeren Wert der Reeder. Diese hatten 2021 von anhaltenden Rekordwerten bei Fracht- und Charterraten profitiert und entsprechend optimistisch in die Zukunft geblickt. Die 2023 gesunkenen Erwartungen der Reeder liegen aber immer noch deutlich über dem Niveau der Befragungen von 2017 und 2019. „Nach zwölf Krisen- und zwei Boom-Jahren bewegen sich die Märkte in den meisten Sparten nun wieder auf einem normalen Niveau mit überwiegend auskömmlichen Raten“, beschreibt Dr. Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder, diese Entwicklung.
Stabil blieb der Ausblick der Werften, die nach der pandemiebedingten Krise im Kreuzfahrtschiffbau wieder Licht am Ende des Tunnels sehen. Hoffnung macht hier etwa die Energiewende: Der Ausbau der Windenergie auf See forciert sowohl die Nachfrage nach Spezialschiffen als auch nach Konverter-Plattformen. „Das Offshore-Geschäft für die deutsche Schiffbau-Industrie wird kommen”, prognostiziert Dr. Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM). Ein gesundes Kerngeschäft sei aber für die Werften Voraussetzung, um die Offshore-Produktion erfolgreich zu entwickeln.
Als ausgesprochen gut bewerten die Zulieferer ihre Perspektiven. Der Branchen-Score stieg um 5,6 auf 64,8 Punkte und erreichte damit nahezu den bisherigen Höchstwert aus dem Jahr 2019. „Die Reeder investieren wieder deutlich mehr und damit entwickeln sich die nationalen und internationalen Märkte sehr positiv“, sagt Martin Johannsmann, Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Marine Equipment and Systems im VDMA. Dass branchenübergreifend 61 Prozent der Befragten mit einem Wachstum des Welthandels rechnen und 53 Prozent der Reeder eine höhere Kapazitätsauslastung erwarten, bestätigt diese Einschätzung.
Zahlreiche Unsicherheitsfaktoren
Doch bei allem vorhandenen Optimismus: Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie sehen auch Hindernisse für eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung. Dazu zählen für insgesamt 55 Prozent die unsichere wirtschaftliche Situation, die hohen Energiekosten (42 Prozent) und die Auswirkungen der Inflation (39 Prozent). Die Folgen des Ukrainekriegs spüren unter den drei Segmenten die Schiffbauer am stärksten: Sie beklagen höhere Materialkosten (64 Prozent), höhere Energiekosten (50 Prozent) und Lieferprobleme (45 Prozent).
Verstärkte Neubauaktivitäten
Nachhaltigkeit und Digitalisierung gelten als die Treiber für Investitionen in der Branche. Besonders interessant für den Markt und damit auch für die SMM im kommenden September: Die Anschaffung neuer Schiffe steht bei den Reedern deutlich höher im Kurs als bei den vergangenen Umfragen im Rahmen des SMM-MIR. 46 Prozent der Verantwortlichen halten es für „wahrscheinlich“ oder „sehr wahrscheinlich“, bis Ende 2024 neue Schiffe zu ordern – sieben Punkte mehr als 2021 und sogar 18 mehr als 2019. Unter den Schiffstypen ragt hier das Tankersegment mit weitem Abstand heraus. Die befragten Vertreterinnen und Vertreter der Werften rechnen überdies mit einer Auftragswelle bei Marineschiffen. Dazu kommt der steigende Bedarf an Offshore-Service-Einheiten im Zusammenhang mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien.
Breites Themenportfolio auf der SMM
Maritime Energiewende, Digitalisierung, neue militärische Herausforderungen auf See: Der aktuelleSMM Maritime Industry Reportzeigt, welche Themen die Branche bewegen und auf welche Trends sie sich einstellt. Die Weltleitmesse in Hamburg wird alle für die maritime Wirtschaft wichtigen Themenfelder mit einer breiten Palette ausstellender Unternehmen und begleitenden Fachkonferenzen umfassend abbilden, sagt Christoph Lücke, Director SMM bei der Hamburg Messe und Congress. „Die SMM vernetzt alle Entscheiderinnen und Entscheider der maritimen Wirtschaft und ist Bühne für Innovationen. Die SMM ermöglicht, wirtschaftliche Entwicklungen in konkrete unternehmerische Entscheidungen umzusetzen.“
Über die SMM
Die Weltleitmesse der maritimen Wirtschaft findet vom 3. bis 6. September 2024 in Hamburg statt. Rund 2.000 Aussteller sowie über 40.000 Besuchende aus mehr als 100 Ländern werden erwartet. Die SMM deckt in elf Hallen die komplette Wertschöpfungskette der Branche ab, bringt Führungskräfte aus allen Teilen der Welt zusammen und ist die Plattform für Innovationen. Im Fokus der 31. SMM stehen die maritime Energiewende, die digitale Transformation und der Klimawandel. Die Messe wird von hochkarätig besetzten Fachkonferenzen flankiert.