Arnaud Boehmann - Fridays For Future

„Wir sind zu langsam“

Arnaud Boehmann von Fridays For Future über die Klimakrise, die Rolle der internationalen Schifffahrt und zu lasche Umweltgesetze. Beim gmec konfrontiert er damit Größen aus der maritimen Branche.

Frage: Herr Boehmann, in einer Rede auf der Hapag-Lloyd Hauptversammlung sagten Sie: "Solange die Schifffahrt einzig danach strebt, jedes Jahr mehr und mehr Container umzuschlagen, hat sie Ihren moralischen Kompass noch nicht gefunden." Wie könnte/sollte denn der moralische Kompass der Schifffahrt aussehen?

Antwort: Die Schifffahrt ist im Pariser Klimaabkommen nicht explizit eingeschlossen und darauf ruht man sich gerne aus. Die Emissionen sind aber real und beschleunigen die Klimakrise wie in allen anderen Branchen. Um die 1,5°C menschgemachte Erwärmung nicht zu überschreiten, führt kein Weg an der Dekarbonisierung vorbei. Die Netto-Emissionen der Schiffe müssen sinken, relative Einsparungen pro TEU sind dabei Augenwischerei.

Letztlich müssen die Reeder sich darüber im Klaren sein, dass ihr Geschäftsmodell genauso auf funktionalen Ökosystemen beruht wie alle anderen. Wer lange finanziell von laschen Umweltgesetzen und einer klimaschädlichen Politik profitiert hat, trägt jetzt zudem eine ganz besondere Verantwortung. Es darf keine Ausreden mehr geben.

Frage: Ist der IMO-Fahrplan zur Dekarbonisierung der Schifffahrt aus Ihrer Sicht zielführend? Oder geht das alles zu langsam?

Antwort: Deutschland ist langsam. Die EU ist langsam. Der IMO Plan greift katastrophal zu kurz. 50 Prozent Emissionsreduzierung bis 2050 ist eine Bankrotterklärung, wenn wir in dem Jahr weltweit auf null Emissionen kommen müssen. Wir können uns keine weiteren Verzögerungen leisten.

Frage: Gibt es für wirklich saubere Schiffe überhaupt schon passende technologische Lösungen? Und wie sollen die Reedereien die Investitionen stemmen?

Antwort: Ja, es gibt Lösungen, aber wie auch beim Autoverkehr gibt es keine one-fits-all Lösung. Synfuels, grüner Wasserstoff, Batterien und Wind müssen auf die Bedarfe der einzelnen Schiffstypen zugeschnitten werden. Die Menschheit hat ihre Waren über Tausende von Jahren mit Windkraft bewegt. Natürlich kann man die heutigen Großcontainerschiffe nicht einfach zu Windjammern zurückbauen, aber der Wind hat seine Berechtigung in der Zukunft der Seefahrt.

Der Sektor hat Jahrzehnte davon profitiert, industriellen Müll in Form von Bunker zu verbrennen – Jahrzehnte in denen die Klimakrise bekannt war. Jetzt so zu tun, als sei man von der Entwicklung überrascht, ist unglaubwürdig. Der Staat muss die Forschung und Entwicklung CO2-neutraler Antriebe fördern. Letztlich werden Reeder, Händler, Staat und Verbraucher die Kosten gemeinsam tragen – und das wird es Wert sein.

Arnaud Boehmann ist Referent beim beim gmec am 3. Februar 2021 in Session III.

Die Teilnahme am Stream ist kostenlos.

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